Ich habe wohl noch an keinem Tag so viel Grün und so viele Kurven befahren wie heute. Da ich dem havarierten Atomkraftwerk an der Ostküste ausweiche ging es tief in die Berge Fukushimas… und hoch auf dessen Berge hinauf!

Ein unsichtbarer Fünf Farben See

Mit der Abfahrt der gestrigen Schlafstätte wollte ich eigentlich noch den Fünf Farben See (五色沼) mitnehmen, der eine Empfehlung der Region sein soll. Jedoch konnte ich diesen absolut nicht finden! Ich bin an der Straße in seiner Nähe zweimal vorbei gefahren und konnte nie ein Schild mit dazugehörigen Trampelpfad entdecken. Sehr schade eigentlich, aber da ich ja noch Bilder und einen Blick auf den großen See nebenan erhaschen konnte, war es jetzt auch nicht so enttäuschend. Daher wurde die Fahrt einfach fortgesetzt.

360° und es geht immer weiter!

Das Hauptziel des Tages war der Azuma Kofuji (吾妻小富士), ein Krater am Berg Azuma. Dieser wurde mir empfohlen, dass man ihn gut in etwa einer halben Stunde erklimmen und in einer Stunde umrunden könne, was gut machbar klang. Auch mit schwerem Ballast auf dem Rücken. Die Fahrt auf den Krater zu war bereits beeindruckend, kommt man doch aus dem dichten, grünen, sehr nah an der Straße befindlichen Wald heraus, und – BAAAM – riesige Lichtung mit steilen, braunen Bergen und dem eben genannten Krater. Wirklich ein Eindruck für sich. Dazu kam noch eine aufsteigende Rauchwolke aus einem der nebenliegenden Bergen. Der Zoom meiner Kamera lässt vermuten, dass dort eine natürliche, heiße Schwefelwasser-Quelle hervortritt. Ob da wohl bald jemand ein Onsen drauf baut..?

Nach dem richten der Tasche wurde der Blick nach oben gerichtet, den sich hoch schlängelnden Fußweg intensiv betrachtend. Mit herrlichem, bewölkt-kühlem Wetter, einer leichten Briese, und einer gefühlt erholsamen Nacht sah das alles nach Kindergeburtstag aus. Effektiv muss man sagen, dass so ein Anstieg von 1.500m auf 1.700m doch gar nicht so pillepalle ist, wie anfangs erwartet. Auch mit ein kraftraubender Faktor waren die für den Anstieg angelegten Stufen, über die man wie bei einem Hürdenlauf erst drüber steigen musste, um den Fuß auf den dahinter etwas nach unten versetzten Erdboden setzen zu können. Effektiv war die Strecke dann trotzdem schnell bestiegen (hier und da ein Zwischenhalt für Bilder des Ausblicks taten gut) und oben wurden obligatorisch erstmal Bilder gemacht. Da einige Besucher hier schon aufhörten, wurden Kameras links und rechts ausgetauscht, um in Gruppenfotos auch wirklich jeden abbilden zu können.

Die Umrundung des Kraters war dann ebenfalls nochmal zehrender als erwartet, ist oben eben nicht alles glatt und gerichtet, sondern so felsig, so geröllig, so auf- und absteigend, wie ein Krater nunmal ist. Von leichtem Anstieg auf Geröll zu klettern über große Felsbrocken (naja, eher „drüber steigen ;)“) bis hin zu Hang auf Geröll runter rutschen war alles mit dabei. Von dort oben hat man eine unverschämt schöne Aussicht, und das Wetter war einfach nur zu perfekt. Langsam kam zwar die Sonne raus – das störte mich aber nicht weiter, war ich doch mit dem wirklich anstrengenden Teil bereits fertig. Sehr amüsant war noch der Moment, als mein Ausblick auf die Stadt Fukushima im Verlauf einer Minute von glasklarer Sicht zu weißem Nichts wechselte… denn eine Wolke drückte sich auf der Spitze des Kraters vorbei! Ich wusste ja Gott sei dank, dass es nur in eine Richtung weiter ging (Rundgang undso), aber ich kann mir nun bildlich vorstellen, wie Bergsteiger in wildem Terrain wirklich vollständig blind sind, wenn Wolken meinen vorbei schauen zu wollen. Und wie gruselig das sein kann. Brr.

Die Fahrt von der Raststätte zum Krater und weiter in die Stadt waren übrigens knapp 50(!) Kilometer. Und zwar Waldserpentinen. Sonst nichts! Das mag mit einem Cabrio oder Sportfahrzeug ja Spaß machen – mit einem großen, wenig aerodynamischen Van, mit dem man alle zehn Meter fast auf Stillstand bremsen muss, um um die Kurven zu kommen, war das jedoch nicht ganz so heiß. Ich bin jedenfalls echt froh, wenn ich eine Zeit lang keine Wälder und Berge mehr durchqueren muss…

Die verrufene Stadt

Nun war ich also da, in der seit 2011 so verrufenen Stadt. Fukushima-Shi (Stadt) in Fukushima-Ken (Präfektur). Wenn es da den Atom-Panikern keine Gänsehaut über den Rücken jagt, dann weiß ich auch nicht weiter. Ich selbst war jedoch ziemlich entspannt, hatte ich mich ja vorher extra informiert, was generelle Sicherheit im Umkreis des AKW angeht. So empfehlen zum Beispiel ausländische Botschaften, um die Stadt Okuma (dort ist das AKW nämlich) einen 60-80 Kilometer Radius zu meiden, welchen ich in meiner Reise berücksichtigt habe. Außerdem will ich hier ja auch nicht alt werden, sondern fahre einmal durch. Alles also kein Grund zur Sorge. Lustige Geschichte: Als ich das Thema Fukushima-AKW bei der Campermietung angesprochen habe, kam ein „Ach, das ist doch schon Jahre her! Da ist es sicher! Ich empfehle allen Kunden, da ruhig einfach durch zu fahren!“ zurück 😀 So viel Optimismus hatte ich dann doch nicht.

Kommen wir also zum schönen Teil – der tatsächlichen Stadt. Als ich dort ankam war bereits der Höhepunkt der Tageshitze erreicht, und es lag einfach nur eine extrem drückende schwüle Hitze über der Stadt. Keine Ahnung ob mein Eindruck so war, weil ich zuvor deutlich weiter oben in den kühlen Bergen war, oder ob es wirklich so abartig tropisch war. Effektiv spielt es aber auch keine Rolle – es war e.k.e.l.i.g! Vom Parkplatz aus schlenderte ich zum Bahnhof, und dort in die Touristeninformation. Diese stellte mir eine Route an fünf interessanten Punkten zusammen, die man sich anschauen sollte/könnte. Auf dem Weg zur ersten davon ging ich etwas ab vom Weg mal hier rein, mal dort entlang. Dabei konnte ich zwar kleine, typische Seitenstraßen sehen – fand jedoch das eigentliche Ziel nicht. Mit Wifi-Hotspot und Maps sah ich dann, dass ich irgendwie einen Weg unter dem höher liegenden Highway hindurch finden musste, um an Ort A zu kommen. Die Hitze und neu aufkommende heftige Rückenschmerzen sei Dank hatte ich darauf aber gelinde gesagt gar keine Lust mehr! Daher drehte ich um, lies die Touri-Empfehlung Empfehlung sein, und lief einfach so etwas planlos in der Gegend rum. Nachdem ich ziemlich fertig und auch etwas genervt war, beschloss ich, den Tag damit einfach zu beenden.

Mit Kappas Baden, bitte

Doch natürlich endet kein Tag ohne ein Bad. So schnappte ich mir auf Maps ein Bad zwischen Fukushima und meiner nächsten Nachtstätte, und lies mich dort etwas nieder. Das Bad war auch wunderschön angelegt, inklusive einem (gefühlt deutlich heißerem) Außenbecken, einem blauen Hawaii-Wasser-Becken und einem Sprudelbecken. Zusätzlich hatten sie auch eine Sauna eingebaut, in die man sich eigentlich 12 Minuten dünsten lassen sollte… jedoch hatte ich nach etwa vier Minuten einfach keine Lust mehr, fühlte mich erschöpft und etwas schwindelig, und versuchte mich daher im dafür vorgesehenen Becken wieder abzukühlen. Und Oh.Mein.Gott. ist dieses Becken kalt, wenn man sich davor gerade erst aufgeheizt hat!! Fast wie ein Gang ins Meer, wenn man gerade zwei Stunden in der vollen Sonne gebraten wurde. Igittigittigitt! (Erholt und sauber war ich am Ende aber trotzdem 🙂 .)

Etwas Ruhe kehrt ein

Endlich an meiner Raststätte angekommen blieb für den Tag nicht mehr viel zu tun. Die Läden waren bereits zu, genauso wie das Restaurant. Immerhin gab es hier einen 24/7 Conbini, so waren Knabbereien und Getränke also durchweg gesichert. Im (klimatisierten!!) Warteraum machte ich es mir mit meinem Laptop somit bequem, um weitere Artikel zu verfassen und im freien WLAN die dafür nötigen Bilder hochzuladen. Dabei wurde ich von einem (verheirateten?) Pärchen in ein Gespräch verwickelt (klingt ja fast wie Tag 5, hust), das sich um die Fußball-WM (er ist Fußball-Fanatiker), das Verhalten bei Bärenkontakt (NIEMALS den Rücken zudrehen! Immer den Bär im Auge behalten, damit man Angriffe bemerkt! Langsam zurückweichen!) und eine kulinarische Empfehlung bei dieser Hitze drehte. Die Empfehlung lautete, Miso (von ihrem Nachbarn selbstgemacht) mit einer frisch gewaschenen japanischen Gurke (die sind sehr dünn und klein) zu dippen und roh zu essen – wie Quark-Dips mit Sellerie. Das klang für mich erstmal sehr befremdlich, doch sie bestanden mit Nachdruck darauf, dass ich es AUF JEDEN FALL einmal probieren muss! Und damit ich auch die Mittel dazu hatte, wurden mir ein Päckchen Miso, zwei Gurken und – eine geschmackliche Verfeinerung der ganzen Aktion – japanische Mayonnaise direkt in die Hand gedürckt. Die Mayo soll man wohl mit der Miso verrühren, wodurch das alles noch VIEL besser wird! (Sie haben jedoch noch zugegeben, dass diese Art Snack selbst die Japaner spaltet – die einen lieben es, die anderen hassen es. Und sollte es mir nicht schmecken, soll ich es ohne schlechtes Gewissen wirklich einfach wegschmeißen – das wäre völlig in Ordnung.) Da es bereits auf die späten Nachtstunden zuging, packte ich die neu erhaltenen Versucherle in den Kühlschrank meines Wagens und nahm mir vor, dies später auszuprobieren.

Daten

Kalendertag 02.08.2018
Reisetag 6
Kategorien: 2018japan

mangakania

Manga-Fanatikerin und langjährige Anhängerin von Japan, Japanisch und allem was dazu gehört!

2 Kommentare

Katja · 5. August 2018 um 09:08

Wow, der Krater sieht wie eine richtige Erlebnistour aus …
Rückenschmerzen ? Uh, uh, gute Besserung !

    mangakania · 8. August 2018 um 03:09

    Jeden Tag einen etwa 8kg Rucksack eintragen fordert halt doch irgendwann seinen toll (vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist haha) 😉
    Der Krater war wirklich lustig!

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